Diskussion des Vollgeldes

IWF-Forscher plädieren für Vollgeld

 

In einer Studie "The Chicago Plan Revisited", die als IWF-Arbeitspapier erschienen ist, plädieren zwei IWF-Volkswirte für Vollgeld. Hier ein Artikel dazu im Handelsblatt und hier die Studie.

Hier die Zusammenfassung im Abstract der Studie:

"At the height of the Great Depression a number of leading U.S. economists advanced a proposal for monetary reform that became known as the Chicago Plan. It envisaged the separation of the monetary and credit functions of the banking system, by requiring 100% reserve backing for deposits. Irving Fisher (1936) claimed the following advantages for this plan:

(1) Much better control of a major source of business cycle fluctuations, sudden increases and contractions of bank credit and of the supply of bank-created money.

(2) Complete elimination of bank runs.

(3) Dramatic reduction of the (net) public debt.

(4) Dramatic reduction of private debt, as money creation no longer requires simultaneous debt creation.

We study these claims by embedding a comprehensive and carefully calibrated model of the banking system in a DSGE model of the U.S. economy. We find support for all four of Fisher's claims. Furthermore, output gains approach 10 percent, and steady state inflation can drop to zero without posing problems for the conduct of monetary policy."

Das ist keine offizielle IWF Position, aber es gibt strenge interne Qualitätskontrollen und die Arbeit wurde von Douglas Laxton, dem Chef der IWF-Forschungsabteilung "Ökonomisches Modelling" zur Veröffentlichung freigegeben.

Pro und Contra

Wir gehen im Folgenden auf einige Einwände und Missverständnisse zum Vollgeld ein, die wir erhalten haben. Eine umfassende und sehr gründliche Darstellung des Vollgeldes sowie Literaturhinweise finden Sie auf der Seite www.monetative.de. Für weitere Fragen besuchen Sie bitte diese Seite.

 

Die heutige Geldschöpfung durch Geschäftsbanken.

Einwand: "Stimmt es wirklich, dass unser gesamtes Geld, das wir verwenden von den Geschäftsbanken geschöpft wurde? Wir haben doch auch die Zentralbank."

Antwort: Ja, das stimmt, auch wenn es nicht allgemein bekannt ist.

Wir haben zwei getrennte Geldkreisläufe: Das Zentralbankgeld im Kreis der Banken und das umlaufende Geld unter den Menschen und Unternehmen. In den Bilanzen der Banken tauchen beide Geldkreisläufe auf.

Die EZB hat kaum Möglichkeiten selbst Geld in Umlauf zu bringen, sie kann das eigentlich nur, wenn sie Anleihen von Nichtbanken kauft. Ansonsten kommt niemand an Zentralbankgeld außer den Banken, die es für ihren gegenseitigen Zahlungsverkehr benötigen und zum Eintausch in Bargeld. Die Banken brauchen das Zentralbankgeld nicht, um es an Kunden weiterzuleihen, denn die Kundenkredite können die Banken selbst erzeugen.

Das in der Wirtschaft umlaufende Geld ist fast ausschließlich durch Kredite der Geschäftsbanken entstanden. Dadurch gibt es Schulden und Guthaben. All das Geld, das wir benützen ist in Wirklichkeit eine Kreditforderung. Doch das steht auf den Geldscheinen und Kontoauszügen nicht, es ist sozusagen eine Forderung die sich von dem zugehörigen Kredit freigemacht hat und lustig durch die Welt zieht. Wir meinen, dass das Geld für sich da sei, doch das ist falsch! Jedem Guthaben steht ein Schuldner gegenüber. Wenn Sie 100 Euro in Ihrem Geldbeutel oder auf dem Girokonto haben, hat irgendjemand anderes auf der Erde 100 Euro Schulden.

Die Bundesbank hat früher den Staat auch direkt mit begrenzten Krediten versorgt, zunächst in Form von Bargeld, später in Form von Girogeld. So kam Zentralbankgeld in den Umlauf. 2009 standen in den Bilanz der Bundesbank aber nur noch etwa 5 Mrd. Forderungen an den Staat, eine im Vergleich zur gesamten Geldmenge zu vernachlässigende Summe. Seit den Maastrichter Verträgen ist dieser Weg versperrt. Heute entsteht das Geld ausschließlich durch Kreditschöpfung der Geschäftsbanken.

Wenn wir ein Guthaben auf dem Girokonto haben, können wir dieses in Bargeld umtauschen, das von der Zentralbank bereitgestellt wurde. Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken ist die Voraussetzung, dass wir überhaupt an Zentralbank-Bargeld kommen.

Vielleicht hilft noch folgendes Gedankenspiel zum Verständnis: Wenn alle Banken ihre Kredite vollständig zurückführen würden, was praktisch natürlich geht geht, dann wären auch fast alle Grioguthaben weg und Bargeld verschwunden, da es zur Kredittilgung verwendet werden mußte. Es wäre dann nur noch das wenige Geld im Umlauf, das von der Zentralbank direkt an den Staat oder Private in Umlauf gebracht wurde.

In unserer bestehenden Geldordnung ist die Geldschöpfung also an die Geschäftsbanken abgetreten. Die Zentralbank versucht diese durch ihre geldpolitischen Instrumente zu steuern und deckt sie, indem das umlaufende Banken-Girogeld in Bar-Zentralbankgeld umgetauscht werden kann.

 

Nur die Geldschöpfung soll in die öffentliche Hand, Banken bleiben privat.

Einwand: "Die beschriebene Einführung von Vollgeld würde - so wie ich das verstehe - bedeuten, dass nur eine einzige Behörde (der Zentralbank, EZB) in Europa darüber bestimmt, wie viel Geld in Umlauf kommt. Das wäre sehr zentralistisch, staatlich und bürokratisch wäre. Wie soll z.B. eine europäische Zentralbank wissen, wenn ein griechischer Bauer oder ein Sägewerk in der Oberpfalz eine neue Maschine anschaffen muss, um dafür zusätzliche Geldmittel zur Verfügung zu stellen? Soll das dann die Bank / Sparkasse vor Ort beantragen und den Antrag in die Behörde weiterleiten? Und anhand welcher Kriterien soll die dann entscheiden? Und wie soll Missbrauch vermieden werden? Davon lese ich kein Wort und deshalb verstehe ich das Ganze auch nicht ..."

Antwort: Das ist ein vollkommenes Missverständnis! Beim Vollgeld soll nur die Geldschöpfung von der öffentlichen Hand erledigt, nicht aber die Banken verstaatlicht werden! Beim Vollgeld ist es die Aufgabe der Zentralbank, der Volkswirtschaft ausreichend (aber auch nicht zuviel) Geld zur Verfügung zu stellen, das durch staatliche Ausgaben in Umlauf gebracht wird. Die Zentralbank wird aber niemals mit einzelnen Kreditvergaben befasst, sondern das entscheiden natürlich wie bisher die Banken alleine. Für den Kreditkunden ändert sich durch das Vollgeld nichts. Was sich jedoch ändert ist, dass die Banken dann nur tatsächlich angesparte Gelder weiterverleihen können. Heute schöpfen die Banken durch Kreditvergaben Giralgeld und können damit die Geldmenge selbst erhöhen, was in den letzten Jahrzehnten immer wieder zu einer Inflation von Vermögenswerten (z.B. Immobilien oder Aktien) führte. Da die Kreditmenge durch die tatsächlichen Ansparungen begrenzt wird, werden Kreditexzesse gedämpft. Für Banken mit viel Kundeneinlagen und normalem Kreditgeschäft, wie z.B. die Sparkassen oder Genossenschaftsbanken, wird sich durch die Einführung des Vollgeldes kaum etwas ändern. Dagegen dürften Banken mit viel Eigenhandel und Investmentgeschäft Probleme bekommen, da sie das daür notwendige Geld durch Bilanzausweitung nicht mehr selbst schöpfen, sondern nur noch mit dem Geld arbeiten können, das ihnen von anderen dafür geliehen wurde.

Der Ausbau und Pflege des Straßennetzes durch den Staat ermöglicht allen Verkehrsteilnehmern sich frei zu bewegen und hat nichts mit "Staatszentralismus" zu tun. Ähnlich ist es beim Vollgeld: dieses schafft eine ruhige, verständliche und krisenfreie Geldordnung, in der sich die Wirtschaft und Gesellschaft frei entwickeln kann.

 

Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken ermöglicht Kreditexzesse.

Einwand: "Das Problem der Bankenkrise ist nicht die Geldschöpfung, sondern insbesondere leichtfertig vergebene Immobilienkredite."

Antwort: Ohne die Möglichkeit der Geldschöpfung hätten die Banken z.B. in den USA, Spanien oder Irland nicht so leichtfertig Immobilienkredite vergeben können, da sie dazu gar nicht das Geld gehabt hätten. Die Inflation der Immobilienpreise war nur durch eine Erhöhung der Geldmenge möglich. Da die Banken frei Geld schöpfen konnten, senkten sie die Kreditanforderungen und vergaben Kredite auch an Menschen ohne ausreichende Einkommen oder finanzierten 100% oder sogar 120% des durch die Preiseblasen viel zu hoch eingeschätzten Immobilienwertes. Wäre die insgesamt mögliche Kreditmenge beschränkt gewesen, hätten sich die Banken mehr auf die seriösen Finanzierungen beschränkt.

 

Erst mit Vollgeld kann die Zentralbank die Geldmenge wirklich steuern.

Einwand: "Die Geldschöpfung findet nicht unkontrolliert statt, die Zentralbank beobachtet die Geldmengen sehr genau und steuert diese mit Ihren geldpolitischen Instrumenten (Mindestreserve, Referenzzinssatz, Geldmarkttender) aktiv."

Antwort: In unserer gegenwärtigen Geldordnung wurde die Geldschöpfung in die Hände der Geschäftsbanken gelegt. Ob Kredite vergeben werden oder nicht, und damit Geld entsteht, entscheiden alleine die Banken. Die einzige wirkliche Begrenzung ist die Bonität der Schuldner und der notwendige Ausgleich der Zahlungsflüsse zwischen den Banken. Die geldpolitischen Instrumente der EZB wirken nur sehr ungenau und indirekt. Deshalb konnte die EZB zum Beispiel die Immobilienkredit-Exzesse in Spanien oder Irland nicht verhindern.

Derzeit findet praktisch keine Steuerung der Geldmenge durch die EZB statt, denn die Banken müssen nur 1% Barreserve bei der Zentralbank hinterlegen, der Referenzzinssatz liegt fast bei Null und die Banken können unbegrenzt Zentralbankgeld ausleihen und die Anforderungen an die dafür notwendigen Sicherheiten wurden auch stark gelockert.

Erst mit Vollgeld könnte die Zentralbank die Geldmenge wirklich steuern, denn es gibt dann nur soviel Geld wie sie in Umlauf gebracht hat.

 

Unabhängigkeit der Zentralbank als vierte Staatsgewalt.

Einwand: "Die Überweisung von neuem Vollgeld an den Staat kann zu erheblichen inflationären Verwerfungen führen, wie gerade wir Deutschen in den 20er Jahren des letzten Jahrhundert schmerzlich erfahren mussten."

Antwort: In der Weimarer Republik war die Zentralbank an Weisungen der Regierung gebunden und konnte missbraucht werden. Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist natürlich dringend notwendig und ist deshalb gesetzlich verankert. Die Gewaltenteilung des Staates (Exekutive, Legislative, Judikative) sollte auch im allgemeinen Bewusstsein und Sprachgebrauch um die Monetative ergänzt werden. Das Verfassungsgericht hat seine Unabhängigkeit in den letzten Jahrzehnten bewiesen und Einflussversuche von Seiten der Regierungen zurückgewiesen. Warum sollte es mit der Zentralbank anders sein?

Die Überweisung an der Staat ist die sinnvollste Art, neues Vollgeld in Umlauf zu bringen und war über viele Jahrhunderte so üblich. Dies entspricht der gegenwärtigen Auszahlung der Zentralbankgewinne oder des Nennwertes der Geldmünzen, die der Staat von der Zentralbank erhält. Die laufende Erhöhung der Geldmenge entsprechend des Wirtschaftswachstums wird nur ein geringer Beitrag zur Staatsfinanzierung sein, diese muss weiterhin vor allem durch Steuern erfolgen. Wenn die Ausgabe von Vollgeld für die bestehende umlaufende Geldmenge nachgeholt wird, entsteht eine große Sonderauszahung von über einer Billion Euro für die Bundesrepublik, die zur Tilgung der Staatsschulden verwendet werden sollte.

Wilhelm Busch:

Wer anderen etwas vorausgedacht
wird jahrelang erst ausgelacht.
Begreift man die Entdeckung endlich
so nennt sie jeder selbstverständlich.