Finanzmärkte zähmen:
Geld wieder an die Realwirtschaft koppeln!

Zur Lösung der Finanzkrise sind auch Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte notwendig.

Das zentrale Problem der Finanzmärkte ist, dass zuviel Geld vorhanden ist, das Verzinsung und Rendite sucht. 1980 entsprach das globale Finanzvermögen noch in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung. 2007 hat es die Wirtschaftsleistung um ein Vierfaches überstiegen. Die 200 Billionen Anlagevermögen sind also viel heiße Luft, dem keine tatsächlichen, greifbaren Werte und wirtschaftliche Aktivitäten gegenüber stehen. Da es sich trotzdem vermehren soll, entstehen Spekulationsblasen mit Immobilien, Aktien, Edelmetallen oder Wertpapieren, die platzen und Krisen verursachen.

Und es entsteht ein wachsender Renditedruck auf die Realwirtschaft. Da sich die Finanzanlagen gegenüber dem Bruttosozialprodukt vervierfacht haben, haben sich auch die Renditeerwartungen an die Realwirtschaft vervierfacht. (z.B. anstatt 5% nun 20%!)

In unserem Geldsystem entsteht Geld nur durch Kredite. Die Notenbank bringt Geld nur als Kredit in Umlauf, auch die Geldmengenausweitung durch die Geschäftsbanken erfolgt ausschließlich über Kredite. Wachsende Finanzvermögen sind also nur durch wachsende Verschuldung an anderer Stelle möglich. Die Verschuldung von Staat, Unternehmen und Haushalten kommt aber an ihre Grenzen und oftmals wird die Zinslast erdrückend.

Hier das schnelle Anwachsen der Geldvermögen und Schulden am Beispiel Deutschland:

 

Das Problem daran ist, dass die wachsenden Finanzvermögen der Realwirtschaft laufend Geld entziehen. Deshalb muss der Staat seit Jahrzehnten die Konjunktur und den Wirtschaftskreislauf durch immer neue Programme ankurbeln. Durch Zinsen und Gewinne fließt Geld aus der Realwirtschaft in die Finanzwirtschaft und nur ein Teil davon kehrt später in die Realwirtschaft zurück. Infolge dessen wird Geld für Warenkäufe knapp. Um Absatzkrisen zu vermeiden und eine Deflationsspirale zu verhindern, muss der Staat den Geldabfluss aus der Real- in die Finanzwirtschaft durch sogenannte Konjunkturprogramme ausgleichen. Er muss stets mehr ausgeben als er einnimmt und verschuldet sich immer mehr, damit einige stets mehr einnehmen können als sie ausgeben.

Anstatt dass Geld durch Geld entsteht, sollte Geld wieder durch wirtschaftliche Leistungen entstehen. Dazu dient das Vollgeld und das Expressgeld. Zusätzlich sind Regulierungen der Finanzmärkte notwendig, die zum Ziel haben, die Finanzblasen langsam abzubauen und das Geld wieder an die Realwirtschaft zu koppeln. Dabei muss der demokratische Rechtsstaat der Finanzwirtschaft einen klaren Rahmen setzen, so wie alle anderen Lebensgebiete (z.B. der Straßenverkehr) auch klar geordnet sind.

Dazu braucht es durchsetzungsstarke und klar denkende Regierungen und Parlamente, die sich ihrer ordnungspolitischen Führungsrolle bewußt sind und sich nicht der Finanzindustrie anbiedern. Und es braucht eine starke Bürgergesellschaft, die das von der Politik einfordert. Davon sind wir leider noch sehr weit entfernt. Zu oft folgten in den letzten Jahren schönen Worten keine Taten oder es wurden Alibi-Kämpfe geführt.

Themensammlung

Damit man sieht, um was es hier alles geht, im Folgenden eine Übersicht öffentlich diskutierter Themen. Diese Sammlung ist keine Wertung von unserer Seite und bei jedem Thema entstehen natürlich sehr viele Detailfragen und praktische Umsetzungsprobleme. Die Leitidee bei all diesen Vorschlägen ist, dass die Finanzwirtschaft der Realwirtschaft dienen und riskante finanzielle Übertreibungen vermieden werden sollen.
 

Regulierung der Banken, Versicherungen und Finanzinstituten:

- Trennung des Investmentbankengeschäfts vom sonstigen Bankengeschäft: Damit soll verhindert werden, dass Banken mit den Einlagen ihrer Kunden auf eigene Rechnung spekulieren. Und wenn sich eine Investmentbank einmal verspekuliert, könnte sie abwickelt werden, ohne dass sofort die gesamte volkswirtschaftliche Geldversorgung gefährdet ist.

- Feste Mindesteigenkapitalanforderungen für alle Finanzdienstleister: Die Regeln von Basel II und Basel III sind sehr dehnbar und undurchschaubar, für viele Finanzanlagen (z.B. Staatsanleihen) muss gar kein Eigenkapital hinterlegt werden. Deshalb ist die Eigenkapitalausstattung von Finanzunternehmen im Verhältnis zur Bilanzsumme extrem gering, bei der Deutschen Bank zum Beispiel nur ca. 2%. Je mehr Eigenkapital, umso eher können Krisen durchgestanden werden.

- Besonderes Insolvenzrecht für systemrelevante Banken: Da große Banken zu stark mit der ganzen Volkswirtschaft verknüpft sind, kann für sie das normale Insolvenzrecht in der Praxis nicht angewendet werden, sondern sie müssen immer von den Staaten gerettet werden. Es braucht deshalb eine besondere Insolvenzordnung für systemrelevante Banken.

- Größenbegrenzung für Finanzdienstleister: Viele Banken, Versicherungen und Hedgefonds sind finanziell größer als Staaten und können diese deshalb erpressen.

- Europaweite Bankenaufsicht: Damit regionale Versäumnisse der Bankenaufsicht schneller auffallen, bedarf es einer europaweiten Überprüfung.

- Europaweiter Stabilitäts- und Abwicklungsfonds für Banken und weitere Unternehmen des Finanzsektors: Damit einzelne Staaten an der Bankenrettung nicht erdrückt werden, sollte dies eine gemeinsame europäische Aufgabe sein.

- Regulierung von Hedge-Fonds, Private-Equity-Gesellschaften und anderen "Schattenbanken": Da diese letztlich wie Banken agieren und Kundengelder verwalten, sollten sie ähnlich meldepflichtig wie Banken- und Versicherungen sein und von der Bankenaufsicht kontrolliert werden.

- Gründung europäischer Ratingagenturen: Banken und Versicherungen sind bei ihren Investitionsentscheidungen gesetzlich an die Ratings der drei großen privaten US-Ratingagenturen gebunden. Stattdessen könnte zum Beispiel bei der EZB eine Rating-Agentur angesiedelt werden, deren Ratings dann auch verwendet werden dürfen.

- Beschränkung der Möglichkeiten der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken (Vollgeldsystem, Monetative): Geschäftsbanken können durch ihre Kreditvergabe die Geldmenge enorm aufblähen und ermöglichten so zum Beispiel die Immobilienblasen in Irland und Spanien. Da die heutige Mindestreserve der Geschäftsbanken bei der Zentralbank im Euroraum nur 1% beträgt, können die Geschäftsbanken Kredite bis zum Sechzigfachen einer Anfangseinlage vergeben. Das Vollgeldsystem schlägt eine Erhöhung der Mindestreserve auf 100% im Zusammenklang mit weiteren dann notwendigen Reformen vor. Damit könnte eine Kundeneinlage nur einmal verliehen werden, die Kreditfinanzierung würde dann stärker über Zentralbankgeld erfolgen.

 

Beschränkung der Spekulation:

- Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder Börsenumsatzsteuer: Während in der Realwirtschaft Umsatzsteuer verlangt wird, braucht die Finanzwirtschaft bislang keine zu bezahlen. Eine Finanztransaktionssteuer würde die Spekulation dämpfen und die Finanzwirtschaft an der öffentlichen Finanzierung beteiligen.

- Verbot von Hochfrequenz-Handel: Der computergesteuerte Aktienhandel im Millisekundentakt hat nichts mehr mit seriösem Investieren zu tun, verstärkt Börsenschwankungen, ein realwirtschaftlicher Nutzen ist nicht erkennbar. In den USA soll schon bis 70% des Aktienhandels durch Hochfrequenz-Handel erfolgen. Hier weitere Informationen.

- Verbot von ungedeckten Leerverkäufen: Hier verkaufen Spekulanten eine Aktie oder Wertpapier, die sie gar nicht haben. Das verstärkt die Kursschwankungen. Ein realwirtschaftlicher Nutzen ist nicht erkennbar. In den USA waren ungedeckte Leerverkäufe von 1938 bis 2007 durch die Uptick rule verboten bzw. eingeschränkt.

- Verbot von Derivaten, die nicht der Absicherung von realwirtschaftlichen Geschäften dienen: Wenn sich z.B. eine Fluggesellschaft gegen Schwankungen des Ölpreises absichert, oder eine Bank einen von ihr vergebenen Kredit versichert, so ist das realwirtschaftlich sinnvoll. Für die Realwirtschaft ist es aber belastend, wenn jemand mit Ölpreisversicherungen oder Kreditversicherungen handelt, der gar kein Öl kauft oder gar keine Kredite vergeben hat. Auch alle Derivate auf Derivate, also zum Beispiel eine Wette auf die Kursentwicklung einer Öl-Preisversicherung, sollten verboten werden.

- Bessere und frühzeitige Beobachtung von Finanzblasen durch eine europäische Institution und regulierende Eingriffe: Da die Menschen sich in den Finanzmärkten nicht selbst zähmen, sondern ganze Völker Finanzblasen bis zum Platzen hochtreiben (z.B. bei den Immobilienblasen in den USA, Irland, Spanien oder Dubai), braucht es mäßigende staatliche Eingriffe. Eine von der Politik unabhängige Institution, wie z.B. die EZB, sollte mit der Kontrolle von Finanzblasen beauftragt werden und korrigierende Maßnahmen in Gang setzen können. Zum Beispiel könnte bei starken Preisanstiegen die maximalen Beleihungssätze für Immobilien gesenkt werden. Wenn ein Haus nur noch mit 60% beliehen werden kann anstatt mit 100%, sinkt die Nachfrage und die Märkte werden entlastet. Gleichzeitig bewahrt man viele Menschen vor einem ruinösen Abenteuer und die Banken vor hohen Abschreibungen. Eine andere Möglichkeit Immoblienpreise zu mäßigen ist zum Beispiel eine Erhöhung der Grundsteuern, höhere laufende Haltungskosten senken den Wert von Immobilien.

- Eindämmung der Spekulation mit Nahrungsmitteln: Da die Spekulation mit Nahrungsmitteln Hungerkatastrophen erzeugen kann, wird eine Transparenz an den Rohstoffbörsen, ein Verbot von Investmentfonds an den Agrar-Rohstoffmärkten, strikte Beschränkungen für den Terminhandel mit Nahrungsmitteln und wirksame Kontrollen durch starke Aufsichtsbehörden, die auch präventiv eingreifen können, gefordert.

- Verbot von Leveraged-Buy-Out Unternehmensübernahmen: Dabei werden Unternehmen von Investmentgesellschaften überwiegend durch Fremdkredite gekauft, die dann dem Unternehmen aufgebürdet werden. An den hohen Zinsen und Tilgungen sind schon viele zuvor gesunde Unternehmen zugrunde gegangen. Das Risiko für den Finanzinvestor ist vergleichsweise gering. Wenn eine Investmentgesellschaft den Kauf eines Unternehmens durch hohe Kredite finanziert, dann sollten diese Kredite und damit das Risiko in deren Bilanzen bleiben.

- Bei Kreditverbriefungen muss ein Risiko beim ersten Kreditgeber bleiben: Bei Kreditverbriefungen muss dafür gesorgt werden, dass der Verkäufer mit einem bestimmten Anteil in der Haftung bleibt und zumindest einen Teil der Kredite selbst eintreiben muss. Damit soll verhindert werden, dass eine Bank riskante Kredite in Verbriefungen versteckt und das Risiko vollständig weiterreicht, was die Ursache der Subprime-Krise ab 2007 in den USA war.

 

Änderung von Steuergesetzen:

- Erhöhung der Abgeltungssteuer in Deutschland

- Steuerabkommen mit "Steueroasen"

- Vermögenssteuer, Sonderabgabe oder Lastenausgleich

- Vermögenssteuer für Immobilien: Einführung einer Vermögenssteuer in Höhe von 3% des Verkehrswertes auf nicht selbst genutzten Grund und Boden sowie Immobilien mit einem Freibetrag von z.B. 2 Mio. Euro.

- Vermögenssteuer auf Unternehmensanteile für Fremdbesitzer: Einführung einer Vermögenssteuer in Höhe von 3% des Verkehrswertes auf Anteilsbesitz an Unternehmen in Händen von Menschen, die nicht im Unternehmen mitarbeiten.

 

Weitere Reformen unserer Finanzordnung:

- Umlaufimpuls für das gesamte Geldwesen (Expressgeld, fliessendes Geld):

- Jährlicher Ausgleich der Targetforderungen zwischen den Euro-Notenbanken nach dem Vorbild der amerikanischen FED: Damit würde verhindert, dass sich gigantische Forderungen zwischen den Notenbanken der Staaten aufbauen, die bei einem möglichen Euroaustritt eines Landes zu einem Risiko werden.

- Insolvenzordnung für Staaten: Hier ein interessanter Vorschlag: "Ein solches System hat die European Economic Advisory Group at CESifo in ihrem zehnten Jahresbericht vorgestellt. Danach würde man bei einem Land, das in Zahlungsschwierigkeiten kommt, zwischen drei Stufen der Krise unterscheiden: der Liquiditätskrise, der drohenden Insolvenz und der eigentlichen Insolvenz. In der ersten Stufe würde die Staatengemeinschaft, etwa über die EFSF, für bis zu zwei Jahre großzügige Liquiditätskredite gewähren, ähnlich wie es bei Irland oder Griechenland geschah. Ist das Land im dritten Jahr immer noch nicht in der Lage, seine Schulden selbst zu bedienen, wird automatisch die drohende Insolvenz konstatiert. In dieser Phase müssen (nach Änderung der sogenannten CAC-Klauseln) die Inhaber der jeweils fälligen Staatspapiere einen Haircut von 20 bis 50% akzeptieren und erhalten dann für die abgewerteten Papiere neue Staatspapiere, die von der Staatengemeinschaft, also beispielsweise der EFSF oder dem ESM, zu 80% besichert sind, wobei die Summe der Liquiditätshilfen und Sicherheiten 30% des BIP nicht überschreiten darf. Erst wenn die Sicherheiten fällig werden oder die 30%-Grenze überschritten ist, wird die volle Insolvenz konstatiert. Der Vorschlag läuft quasi auf eine Versicherung der Kapitalanleger mit Selbstbehalt hinaus, und er hat den Vorteil, dass er dem betroffenen Land viel Zeit zur Verfügung stellt, seine Staatsfinanzen zu ordnen." (aus Ifo-Schnelldienst, Sonderausgabe März 2012, S. 33)

Wilhelm Busch:

Wer anderen etwas vorausgedacht
wird jahrelang erst ausgelacht.
Begreift man die Entdeckung endlich
so nennt sie jeder selbstverständlich.